Kein Hausherr im Herrenhaus - Schloss Gartrop in Hünxe

Mein Haus? Dein Haus? Oder gar: unser Haus?

SCHLOSS GARTROP / Zu haben: Viele Zimmer, Kirche, Diele, Wassermühle. So um die 5600 Quadratmeter.

Wer kann zu so einer Behausung schon nein sagen? Wir nicht. Auf der Suche nach einer größeren Wohnung ist der Kollege. Jetzt, wo sich Nachwuchs ankündigt, käme dieses Objekt grade recht. Ein Traum von einem Schloss. 1149 Quadratmeter Wohnfläche hätten Dirk Mackscheidt und Ulrich Böcke aus Hünxe im Angebot. Und das bezieht sich nur auf das Haupthaus. Gärtnerei, Remise, Kirche, Restaurant und Wassermühle wären auch noch dabei. In der Summe: um die 5600 Quadratmeter. Viel Platz zum Staubwischen. Da gehört standesgemäß auch Personal dazu.Vor dem geistigen Auge haben wir das Herrenhaus schon möbliert. Der Schrank links, neben der Tür. Sitzecke einfach mitten im Raum drappieren. Ein paar mehr Möbel bräuchten wir dann schon noch. Für uns leider doch zu teuer. Bei einem Zeitwert von gut 6,3 Millionen Euro müsste der Kollege noch den ein oder anderen Bausparvertrag abschließen. Aber wir wollen ja auch nur drüber berichten, dass Schloss Gartrop noch keinen neuen Schlossherrn gefunden hat und immer noch zu versteigern ist. Es ist gar nicht so einfach, einen Käufer für dieses herrliche Anwesen zu finden. Das haben die beiden engagierten Bürger in der Vergangenheit feststellen müssen."Leider", sagt Ulrich Böcke. "Wir brauchen jemanden, der Schloss Gartrop aus seinem Dornröschenschlaf erweckt." Viele Bürger sähen es gerne, wenn das Kleinod wieder zum Leben erweckt und Besuchern zugänglich gemacht würde.

Es könnte zum Wahrzeichen der Gemeinde werden, die sonst keine großen Baudenkmäler hat, meint Ulrich Böcke. Wer hat schon einen alten Adelssitz aus der Zeit von Preußens Glanz und Gloria. Erbaut zwischen 1665 und 1675 ist die Besitzergeschichte lang und eindrucksvoll. Über die Jahrhunderte diente es als Adels- und Wohnsitz der Freiherren von Hüchtenbruck, von Quadt und von Nagell.Jetzt verfällt das Anwesen immer mehr. Drei Versteigerungsversuche endeten ohne Zuschlag. Im Hünxer Rathaus macht man sich große Sorgen, wie das dringend renovierungsbedürftige Baudenkmal zu retten ist. Und vor allem: durch wen?

Jedenfalls hat die Gemeinde vorerst die Schlüsselgewalt übernommen, Einrichtung und Gemälde sind ausgelagert, es gibt Kontrollgänge. Überall Bauschutt, das Mauerwerk ist angegriffen. "Das Dach ist aber in Ordnung", sagt der Fachmann. Mit alten Bauten kennt sich Böcke aus. Er war Architekt, hatte sein eigenes Bauunternehmen. Der 72-Jährige kümmert sich. "Weil man von anderen nicht immer nur fordern darf, sondern sich auch selbst einsetzen muss." Auch dem Immobilienhändler Dirk Mackscheidt macht die Sache sichtlich Spaß. "Es ist wunderschön, sich mit so einer Immobilie zu befassen."

Dachzimmer mit Ausblick
Zehn, 15 Interessenten hat es gegeben, die beim Weseler Amtsgericht vorbei geschaut haben. "Viele unterschiedliche Interessen." Eine Hotelanlage mit Cafe´ ist eine dieser Ideen, Eigentumswohnungen eine andere. Egal, was realisiert würde: Hauptsache, es passiert etwas, sagen die beiden Hünxer.

Zwar gab es beim letzten Versteigerungstermin das Gebot eines Kaufmanns aus Kevelaer, aber 400 000 Euro waren nicht genug. Gut 3,1 Millionen Euro hätten es wenigstens sein müssen, sofern die Sparkasse Essen als Hauptgläubiger nicht auf der so genannten Sieben-Zehntel-Grenze von knapp 4,4 Millionen bestanden hätte.

"Wunderbar, der Blick aufs Lippetal", schwärmt Ulrich Böcke, als er durchs Dachfenster blickt. Vorbei an den Balken aus der Bauzeit des Schlosses. "Eine der schönsten Landschaften." Ach, wir würden ja doch noch gerne... aber allein die Restauration hat ihren Preis. Ein zweistelliger Millionenbereich wäre möglich. Und dem Denkmalschutz muss es auch entsprechen. Schade, dann müssen die Hünxer wohl doch bis zum Herbst warten. Bis zur vierten Versteigerung. Vielleicht ist es ja die letzte...

Infos zum Schloss unter www.schloss-gartrop.de

Mackscheidt, Tel: 02858/455.


16.04.2004 MARC WOLKO / NRZ