Rheinische Post - 26.03.04
Schloss Gartrop - Mageres Gebot und wüste Gerüchte
Von FRITZ SCHUBERT
WESEL / HÜNXE. Volles Haus -im Weseler Amtsgericht: Gut 50 Zuhörer
wollten gestern Morgen miterleben, ob Schloss Gartrop unter den Hammer kommt.
Sie bekamen eine recht kurzweilige Zwangsversteigerung geboten, sahen aber nur
einen Interessenten. Martin Schoenen (60) aus Kevelaer wollte 400 000 Euro für
den riesigen Komplex geben. Nicht mal zehn Prozent des Verkehrswertes von 6,284
Millionen Euro, der schon 2,5 Millionen Euro niedriger ist als im Versteigerungsversuch
von 1997 / '98,
Rechtspfleger Horst Ölzner musste wegen des mageren Gebots schließlich
Schoenen den Zuschlag versagen, was voll in dessen Interesse gewesen sein müsste.
Denn in einigen Monaten wird die historische Hünxer Anlage erneut aufgeboten,
wobei dann auch die ominöse Fünf-Zehntel-Grenze nicht mehr gilt. Das
heißt, Schoenen könnte für weniger als 3,142 Millionen an die
Immobilie herankommen.
Der Kaufmann aus Kevelaer sagte, er habe bereits in Emmerich-Praest mit anderen
eine Burg erworben. Eine „Culture & Castle" Hotelanlage mit Eigentumswohnungen
und Möglichkeiten für den Heimatverein könne er sich 'auch für
Gartrop vorstellen. Allerdings. nur „mit vielen" und zu einem akzeptablen
Preis, denn er rechne mit zusätzlichen Investitionen von rund vier Millionen
Euro. Martin Schoenen blieb nach der Bietstunde gestern in engem Kontakt mit
Vertretern der Hauptgläubigerin (Sparkasse Essen), mit Immobilienmakler
Dr. Dirk Mackscheidt, der mit Hilfe des Hünxer Schlossfreunds Ulrich Böcke
ein Expose für die Immobilie der Sonderklasse erstellt hat, und mit der
ehemaligen Eigentümerfamilie von Nagell.
Verschwundenes Inventar
Wüste Gerüchte machten am Rande der Zwangsversteigerung die Runde.
Unter anderem hieß es, „die russische Mafia" sei interessiert
gewesen, was den Verdacht nährte,. aus dem Schloss könne ein Etablissement
des Rotlicht-Gewerbes gemacht werden. Wieder andere fragten hinter vorgehaltener
Hand, was denn aus dem Inventar wurde, zum Beispiel aus den Kronleuchtern.
Ulrich Böcke sagte, dass die Nagellsche Ahnengalerie und die Orgel sicherheitshalber
bei der Gemeinde eingelagert wurden. Verschwunden sind sämtliche Türbeschläge
„bis auf , ' einen", so dass sich Rekonstruktionen
machen ließen. Die Beschläge sollen auf Auktionen in Norddeutschland
aufgetaucht sein.
Auf der Vermisstenliste standen auch wertvolle chinesische Wanddekorationen.
Sie seien laut Böcke im Auftrag des ehemaligen Eigentümers einer Restaurierfirma
im Münsterland gegeben worden, die ebenfalls in Konkurs geriet. Das Landesamt
für Denkmalpflege habe die Stücke offenbar sichern können.